Gedanken zum Krieg: „Botschaft“ von Walther Freist (Veröffentlicht am 27.06.2025)
Der Forstmeister Walther Freist (*27.08.1901, +10.08.1963), der 1931 das braunschweigische Forstamt Walkenried im Südharz übernommen hatte, schrieb während seiner Kriegsgefangenschaft mehrere Gedichte, die seine Witwe Elisabeth im Jahr 1978 in einem Büchlein im Selbstverlag veröffentlichte. Ein Thema dieser lesenswerten Gedichte ist der Wald, seine Bedeutung für das Leben der Menschen und die Sorge um die Auswirkungen ihrer mangelnden Wertschätzung für ihn.
In dem Büchlein „Gedichte geschrieben in Gefangenschaft“ (1978), S. 37 f., wird sein folgendes, im März 1947 verfasstes Gedicht wiedergegeben:
„Botschaft
Hast Du das Vöglein geseh’n,
das kleine entzückende Vöglein?
Ach nein! Dein staunend Gesicht sagt mir,
Du sähest es nicht das kleine entzückende Vöglein.
Du siehst nur den Stacheldrahtzaun,
der Dir Deine Freiheit genommen,
Du siehst nur die eigene Qual.
Sieh! Auf verdrahtetem Pfahl
sitzt zwitschernd das liebliche Vöglein.
Hast Du das Liedchen gehört,
das perlend das Vöglein gesungen?
Ach nein! Dein staunend Gesicht sagt mir, Du hörtest es nicht
das kleine, perlende Liedchen.
Du hörst nur Dein eigen Gestöhn,
Dein Jammern und fruchtloses Rechten.
Du hörst nur, was Dir gefällt.
Gilt auf der weit-weiten Welt
nur Selbstsucht und Hass und Verleumdung?
Würd’ ich nur Menschenwerk seh’n,
nur menschliche Stimmen vernehmen,
Verzweiflung bliebe mir nur!
Dank! Tausend Dank, Dir Natur,
Du öffnest mir Augen und Ohren!
Nie kann ich werden je blind,
empfind’ ich die Schönheit der Erde.
Und niemals werd’ ich je taub,
reißt Du mich empor aus dem Staub
in himmlische, reinere Sphären.
Du kamst aus der Freiheit zu mir,
Du Vögelchen, schwirrenden Fluges,
und singest ein Liedchen vom Wald .
Sag ihm, ich käme gar bald,
in ihm wollt’ ich wieder gesunden.“
Diese Gedanken von Walther Freist zum Verhältnis des Menschen zum Wald mag man mit Blick auf den durch die schweren Kämpfe im Herbst und Winter 1944/45 bis zur Unkenntlichkeit geschundenen Hürtgenwald lesen, sie haben aber auch darüber hinaus eine fast universelle Bedeutung.
(Titelfoto: Vögel auf Gedenksteinen
des Soldatenfriedhofs Vossenack, August 2022)
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