Feldpostbriefe: Brief der Eltern an ihren Sohn, deutscher Soldat in Weißrussland, 7. Januar 1944 (Veröffentlicht am 09.06.2022)


Feldpostbriefe und ihre Bedeutung für die heutige Zeit

Bei den Recherchen nach Julius Erasmus kommt man zwangsläufig mit Feldpostbriefen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs in Berührung. Seien es Mitteilungen über den Tod eines Soldaten, geschrieben von dessen Vorgesetztem an seine Angehörigen, die später Herrn Erasmus als Anhaltspunkt für eine Grabsuche übermittelt wurden oder andere Schriftwechsel zwischen im Krieg befindlichen Soldaten und ihren Familien zu Hause. Ich befasse mich seither auch näher mit Feldpostbriefen aus der damaligen Zeit.

Feldpostbriefe sind wertvolle Zeitdokumente, die gerade in Zeiten wie den gegenwärtigen ihre zeitlose Botschaft entfalten und einen anschaulichen Eindruck darüber vermitteln, was Krieg für alle Beteiligten bedeutet. Sie sind ein wertvolles Werkzeug, um schon den Anfängen eines erneuten Strebens nach Krieg zu wehren und vielleicht dazu beizutragen, dass sich Geschichte nicht einmal mehr und mit abermals grausigen Folgen für die Menschheit wiederholt. Derzeit wird wieder einmal mit aller Macht für den Krieg, Waffen und das Töten von Menschen in großem Maßstab getrommelt, obschon man jahrzehntelang die vage Hoffnung haben konnte, dass die Menschheit aus den schmerzhaften Erfahrungen insbesondere zweier Weltkriege ihre Lektion endlich einigermaßen gelernt hat. Es scheint leider abermals nicht der Fall zu sein.

Vor diesem Hintergrund sollen hier in der Rubrik „Feldpostbriefe“ von Zeit zu Zeit entsprechende Briefe oder Briefauszüge aus unterschiedlichen Quellen veröffentlicht werden, um mit Nachdruck daran zu erinnern, was Krieg für die Menschen und die Menschheit bedeutet. Um einen Denkanstoß zu liefern und in der unerschütterlichen Hoffnung, dass dies einen Unterschied machen möge.

 

 

Feldpostbrief von Gertrud und Wilhelm Rühland an ihren Sohn Joachim vom 7. Januar 1944
(Quelle: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Letzte Lebenszeichen – Briefe aus dem Krieg, S. 164 ff.):

„Mein lieber Jochen!

Nun sind wir immer noch ohne Post von Dir, Dein letzter Brief war vom 13.12. Wir hoffen aber stark, dass es Dir noch gut geht, wenigstens gesundheitlich, denn sonst werdet Ihr wohl nichts zu lachen haben. Jeden Tag wird Witebsk noch im Wehrmachtsbericht erwähnt, und wir wissen, was dort für schwere Kämpfe toben. Du armer Junge, bist immer da, wo es mit am schlimmsten ist. Wie oft habe ich schon in diesen Wochen gedacht, wenn man doch bloß mal hinsehen könnte, ob er noch gesund ist. Hast Du denn wenigstens unsere Post erhalten? Ich habe fast alle Briefe per Luftpost geschickt, weil ich mir dachte, die kämen eher durch. (…) Nun will ich Schluss machen, Papa kann noch ein bisschen weitermachen, (…). Bleib mir also recht gesund und hoffentlich bekommen wir bald Post von Dir. Mit recht vielen herzlichen Grüssen und Küssen bin ich

Deine Mutti

 

Mein lieber Junge!

Die erbitterten Kämpfe in Eurem Abschnitt toben nun schon seit fast vier Wochen – und halten nach den Berichten des OKW [Oberkommando der Wehrmacht] mit unverminderter Heftigkeit an. Allein in diesem Raum dürften nach den bisherigen Berichten an die 500 Panzer vernichtet sein. Es ist da die größte Zahl von allen Kampfabschnitten überhaupt und zeigt deutlich die Absichten unseres Gegners. Sie werden aber, wie wir alle zuversichtlich glauben, an der Härte und dem Willen unserer tapferen Jungen zuschanden werden. Ich habe schon so oft betont, wie gerne ich in Euren Reihen stehen und mitkämpfen möchte, und gerade jetzt, wo es hart auf hart geht. Ich glaube immer noch, wo die physischen Kräfte nicht mehr hinhauen können, da würde meine Ruhe einen Ausgleich schaffen und Euch von Nutzen sein können. Jedoch mit meinen 55 Jahren sind das Träume, die keine Verwirklichung finden werden. Und so muss ich mich bescheiden und hier in der Heimat meine Pflicht tun. Aber in Gedanken, Junge, da bin ich oft sehr oft bei Dir und rufe Dir ein ‚Durchhalten‘ zu. Wie oft geschieht das auch in der Nacht, wenn ich einmal wach werde, und ich glaube dann immer, Du müsstest das merken und neue Kraft daraus schöpfen. Deine liebe Post vermissen wir ja sehr, aber wir wissen ja, dass Ihr kaum zur Ruhe kommt, und wenn einmal, dann habt Ihr vor allem Schlaf nötig und das geht unbedingt vor. Aber freuen werden wir uns, wenn dort einmal wieder Ruhe eingetreten ist und der Postverkehr wieder regelmäßig läuft. Bis dahin halten wir Dich im Gebet umschlossen und hoffen, dass Du die jetzigen Kämpfe heil und gesund überstehst. (…) Die Tage werden nun, zuerst noch nicht bemerkbar, wieder länger und Du wirst sehen, dass eines Tages wieder die Frühlingssonne scheint und dann wird das Schwerste auch wieder vergessen sein. Also behalte frohen Mut und wehre Dich Deiner Haut. (…)

Dir alles Gute wünschend, sende ich Dir heute meine herzlichsten Grüße.

Dein Vater“

 

Gefallenenmitteilung an die Eltern, 25. Dezember 1943:

„Sehr geehrter Herr Rühland!

Ich habe heute die traurige Pflicht, Ihnen die schmerzliche Mitteilung machen zu müssen, dass Ihr lieber Sohn, unser guter Kamerad, Reiter Joachim Rühland, am 14.12.1943 bei den schweren Abwehrkämpfen südlich Newel, in soldatischer Pflichterfüllung, getreu seinem Fahneneide für Führer und Vaterland gefallen ist.

Durch einen Kopfschuss ist Ihr Sohn, ohne zu leiden, sofort gestorben. Er wurde am selben Tage in Kroschkina, etwa 20 km nördlich Gorodok bestattet.

Ich spreche Ihnen, zugleich im Namen seiner Kameraden, denen er stets ein treuer und guter Kamerad war, meine wärmste Anteilnahme aus. Mit ihm haben wir einen unserer Besten verloren. Für Sie bedeutet der Tod Ihres lieben Sohnes ein unsagbar schweres Los. Möge die Gewissheit, dass Ihr Sohn sein Leben für die Größe und den Bestand des deutschen Volkes und Reiches hingegeben hat, Ihnen ein Trost in dem schweren Leid sein, das Sie betroffen hat.

Mit dem Gefühl aufrichtiger Anteilnahme grüßt Sie

Ihr

I.V. gez. Schaaf

Leutnant und Schwadronsführer“

 

Bei Verfassen des Briefes der Eltern an ihren Sohn war dieser bereits gefallen, die Todesmitteilung hatten sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhalten. Ihr Brief kam am 2. Februar 1944 zurück, versehen mit dem Vermerk „Gefallen für Groß-Deutschland. Zurück.“.

Joachim Rühland, geboren am 25. Januar 1925 in Braunschweig, fiel am 14. Dezember 1943 bei Kroschkina/Weißrussland.

 

(Titelfoto: Kuvert des Briefs der Eltern an ihren Sohn mit Rücksendevermerk
[Quelle: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Letzte Lebenszeichen – Briefe aus dem Krieg, S. 169])

 

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