Julius Erasmus: Die selektive Berichterstattung der Dürener Zeitung (Veröffentlicht am 04.03.2022)

 

I. Die Medienhaus Aachen GmbH und die Berichterstattung durch deren Zeitungen

Zuletzt wurde auf dieser Website der Artikel „Das ist Geschichtsverfälschung“ in der Dürener Zeitung vom 28.01.2021 und die diesem zugrundeliegende fragwürdige Methodik näher thematisiert. Ebenso aufschlussreich ist die Haltung der Redaktion der Zeitung zu der Thematik Julius Erasmus an sich, wie sie sich nach mehreren diesbezüglichen Anfragen an den Leiter von deren Dürener Lokalredaktion darstellt.

Kurz zur Einleitung für diejenigen Leser, die mit der lokalen Presselandschaft nicht näher vertraut sind:

Die Presseberichterstattung in der Region Aachen/Düren/Heinsberg erfolgt ganz überwiegend durch Zeitungen, die von der Medienhaus Aachen GmbH – bis 2019 firmierend als Zeitungsverlag Aachen GmbH – herausgegeben werden. Deren publizistische Kernprodukte sind die Tageszeitungen „Aachener Nachrichten“ und „Aachener Zeitung“, die in 17 Lokalausgaben in der Städteregion Aachen sowie in den Kreisen Düren und Heinsberg erscheinen. Kritikern zufolge sind relevante Unterschiede zwischen beiden Zeitungen schon seit einiger Zeit kaum mehr auszumachen. Die Auflage ist seit Jahrzehnten kontinuierlich rückläufig und hat sich gegenüber 1998 halbiert. Die Medienhaus Aachen GmbH rühmt sich, täglich „Qualitätsjournalismus mit innovativen Konzepten“ zu verbinden, womit sie mittels ihrer regionalen Abonnementzeitungen in der Städteregion Aachen und in den Kreisen Düren und Heinsberg täglich rund 300.000 Leser mit der Printfassung und monatlich 1 Mio. Unique User mit ihren Onlineangeboten erreiche.

Die Presseberichterstattung im Bereich Düren und Nordeifel erfolgt schwerpunktmäßig durch die Dürener Zeitung bzw. die Dürener Nachrichten, die entsprechenden Dürener Lokalausgaben der Aachener Nachrichten und Aachener Zeitung. Deren Berichterstattung wird durch eine in Düren ansässige Lokalredaktion verantwortet.

 

II. Korrespondenz mit der Redaktion der Dürener Zeitung Anfang 2021

1.   Direkt nach Erscheinen des einleitend erwähnten Artikels „Das ist Geschichtsverfälschung“ am 28.01.2021 versuchte ich Kontakt mit der Autorin des Beitrags, der in der Dürener Lokalredaktion tätigen Redakteurin Sarah Maria Berners, aufzunehmen. Ich bat unter Verweis auf meine schon zu diesem Zeitpunkt mehrere Jahre währenden Recherchen zu Julius Erasmus und die dabei gewonnenen Erkenntnisse um eine ausgewogene Darstellung und um eine Orientierung an belegbaren Fakten, die in ihrem Artikel fehle. Sie wurde auch gebeten, das Andenken eines langjährig verstorbenen Menschen nicht auf der Grundlage ersichtlich fragwürdiger Thesen zu beschädigen. Eine Reaktion hierauf erfolgte nicht.

2.   Ich kontaktierte daraufhin Anfang Februar 2021 den Leiter der Dürener Lokalredaktion, Volker Uerlings. Neben den bereits gegenüber der Autorin des Beitrags angesprochenen Umständen wurde angemerkt, dass sich in den Unterlagen des Stadt- und Kreisarchivs Düren keine Belege für die genaue Anzahl der von Julius Erasmus geborgenen bzw. bestatteten Kriegstoten befinden, sondern lediglich Behauptungen einiger Einzelpersonen. Unter Verweis auf den Pressekodex, der ethische Standards für den Journalismus festlegt und u. a. zu einer wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit (Ziffer 1.), einer sorgfältigen Recherche (Ziffer 2.) und zur Richtigstellung falscher Nachrichten oder Behauptungen (Ziffer 3.) verpflichtet, wurde er um Prüfung gebeten, ob vorliegend nicht eine Richtigstellung der in dem Artikel getätigten Aussagen geboten wäre. Ich bot ihm zudem Unterstützung mit hier recherchierten Informationen zum Leben des Herrn Erasmus an.

3.   In seiner Antwort teilte Herr Uerlings mit, auf dieses Unterstützungsangebot „ggf.“ gern zurückzukommen. Frau Berners und er hätten „von vornherein geplant, die abzusehende Gegenrede zu den Äußerungen des Herrn Möller gezielt aufzugreifen“. Hieran sei zu ersehen, dass man „nach Möglichkeit“ erstrebe, ein „umfassendes Bild dieser Diskussion“ abzubilden. Man sei „gezielt“ auf die in dem Artikel kritisierten Personen, von ihm als „Player“ bezeichnet, zugegangen und habe ihnen „Fragen“ übermittelt. Die hierauf eingegangenen Antworten werde man in Kürze in einem eigenen Artikel thematisieren.

4.   Dieser Artikel erschien am 05.02.2021 unter dem bereits sprachlich schrägen Titel „Keine Glorifizierung in der Hörstelle“ (eine Online-Quelle ist nicht auffindbar), in dem sich nun Vertreter des für die kritisierte „Hörstelle“ in Vossenack verantwortlichen Vereins „Liberation Route NRW“, darunter der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Hürtgenwald, Axel Buch, ihrerseits echauffiert zu den in dem Ausgangsartikel aufgestellten Behauptungen äußern durften.

5.   Wiederholte Versuche, die Dürener Zeitung, namentlich Herrn Uerlings und Frau Berners, für neue Erkenntnisse zu Julius Erasmus zu interessieren, blieben bislang erfolglos.

 

III. Letzte Korrespondenz mit der Redaktion der Dürener Zeitung im September 2021

1.   Zuletzt kontaktierte ich Herrn Uerlings im September 2021 und bat ihn für die Darstellung meiner Erfahrungen mit seiner Redaktion auf dieser Seite um eine Stellungnahme zu mehreren Fragen. So wurde er u. a. nach dem Grund gefragt, weshalb seine Zeitung der Auseinandersetzung um die sog. „Hörstelle“ in Vossenack breiten Raum einräumt, sie an neuen Erkenntnissen zur Geschichte von Julius Erasmus jedoch allem Anschein nach kein Interesse hat. Unter Verweis auf die Berichterstattung seiner Zeitung über Julius Erasmus in der Vergangenheit, die im wesentlichen die landläufige Legende wiedergab, und dem Umstand, dass viele dieser Thesen bislang nicht bestätigt werden konnten, wurde er zudem gefragt, ob es nicht auch die Pflichten seiner Zeitung aus dem Pressekodex gebieten würden, die Öffentlichkeit hierüber in Kenntnis zu setzen und die Tätigkeit von Julius Erasmus anhand der belegbaren Fakten darzustellen.

2.   In einer bemerkenswerten Antwort teilte Herr Uerlings mit, diese Anfrage so zu verstehen, die Zeitung solle „gegen alle presserechtlichen Grundlagen“ „zu einer Veröffentlichung in Ihrem Sinne gedrängt“ werden. Man habe „reichhaltige Erfahrungen, wie meist von politischer Seite versucht werde, Druck aufzubauen und reagiere an diesen Stellen auch vor dem Hintergrund presserechtlicher Grundlagen sehr sensitiv“. Er müsse seine Kolleginnen und Kollegen und sich selbst „vor jedweder versuchten Einflussnahme schützen“. Bevor er oder die Chefredaktion in Aachen auf die ihm gestellten Fragen eingingen, müsse er sich zu dem Thema zunächst auf den aktuellen Stand bringen. Er selbst sei „lokalhistorisch interessiert“ – er wurde offenbar in Düren geboren –, habe die Geschichte von Julius Erasmus jedoch nicht gekannt, bevor in der von ihm verantworteten Zeitung hierüber berichtet worden sei. Er blicke hierauf „sehr neutral“ und lasse sich „nicht von Menschen beeinflussen, die offenbar dieser Geschichte eine Richtung geben wollen“. Die Einordnung einer lokalhistorischen Persönlichkeit wie Julius Erasmus, die vor mehr als 70 Jahren tätig gewesen sei und vor 50 Jahren starb, bedürfe keiner Eile, wenn sie „gründlich erfolgen“ solle.

3.   Ich fragte ihn abschließend erneut nach der Ausgewogenheit der Berichterstattung der Dürener Zeitung zu dem betroffenen Themenkreis und danach, ob diese Art und Weise der Berichterstattung im Hinblick auf die Meinungsmacht der Medienhaus Aachen GmbH seiner Ansicht nach den Aufgaben der Presse in einem demokratischen Staatswesen entspreche. Eine Antwort erhielt ich nicht.

 

IV. Bewertung

Man darf nach alledem festhalten, dass die Dürener Zeitung sich zwar einerseits Possen wie derjenigen um die Vossenacker „Hörstelle“ zu Julius Erasmus ausführlich widmet, um auf fragwürdiger Grundlage die angebliche Notwendigkeit einer „historischen Neubewertung“ der Person des Julius Erasmus zu propagieren, die offenbar auf eine Umkehrung der bisherigen Beurteilung hinauslaufen soll. Anderseits scheint auf ihrer Seite aber jedenfalls dann keinerlei Interesse an neuen Informationen zu diesem Thema zu bestehen, wenn diese möglicherweise dem beabsichtigten neuen Narrativ zuwiderlaufen.

Geradezu unfreiwillig komisch wirkt vor diesem Hintergrund der vorgebliche Versuch des Herrn Uerlings, sich und seine Kollegen gegen einen angeblichen „Versuch politischer Einflussnahme“ auf die Berichterstattung wehren zu müssen, wenn er nach der Unabhängigkeit und Ausgewogenheit der von ihm zu verantwortenden Berichterstattung gefragt wird. Versucht hier jemand, sich womöglich als unangenehm empfundener Fragen dadurch zu entledigen, dass er dem Fragenden ein „Fehlverhalten“ andichtet, das ihm selbst zur Last fällt, landläufig auch als „Projektion“ bekannt? Der Artikel „Das ist Geschichtsverfälschung“ ist im Kern ein politisches Machwerk plumperer Natur. Er ist nicht Journalismus, sondern Agitation. Er will die Leserschaft nicht unvoreingenommen und ausgewogen informieren, sondern will explizit auf eine Änderung ihrer Bewertung des Julius Erasmus als historische Person hinwirken. Dieser solle nunmehr „anders bewertet werden als bisher geschehen“, wobei die offenbar gewünschte Betrachtung gleich mitgeliefert wird, wenn es heißt „Erasmus war kein Held, er war ein bedauernswerter, geschundener Mann mit einem ausgeprägten Ego, der nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und Zuspruch lechzte – und das auch auf Kosten anderer“. Die hierfür angeführten Gründe und die angewandte Methodik sind – wie in dem zugehörigen Blogpost näher erörtert – geradezu hanebüchen einseitig. Damit ist über die von Herrn Uerlings behauptete „Neutralität“ und die vorgebliche „Gründlichkeit“ der Dürener Zeitung in diesem Kontext alles gesagt.

Schon die Reaktion der Öffentlichkeit auf den Artikel, wie er z. B. in am 03.02. und am 23.02.2021 veröffentlichten Leserbriefen zum Ausdruck gebracht wurde, zeigt deren unverändert großes Interesse an Julius Erasmus. Die vorrangig zu beantwortende Frage müsste für die Dürener Zeitung daher eigentlich lauten „Wer war Julius Erasmus und was ist seine Geschichte?“. Dies jedenfalls dann, wenn sie es entsprechend ihrer Funktion als Presseorgan und im Einklang mit dem Pressekodex beabsichtigen würde, die Öffentlichkeit ausgewogen und vollständig über sie interessierende Angelegenheiten zu informieren. Die Berichterstattung über das Scharmützel um die Vossenacker „Hörstelle“ und die diesbezüglichen Aussagen des Herrn Uerlings legen nahe, dass es primär um etwas anderes geht. Offenbar stachelt man gezielt Vertreter ersichtlich gegenteiliger Standpunkte weiter gegeneinander auf, anstatt auf eine Beruhigung der Situation und auf einen Dialog hinzuwirken und vor allem ohne sich auch nur im geringsten dafür zu interessieren, welche belegbaren Erkenntnisse zu Julius Erasmus überhaupt vorhanden sind. Wie die Dürener Zeitung auf diese Art und Weise und mit den dabei von ihr angewandten Methoden ein „umfassendes Bild dieser Diskussion“ abbilden will, wie der Leiter der zuständigen Lokalredaktion vorgibt, bleibt rätselhaft. Man wird den Eindruck nicht los, dass man dort ein Interesse daran hat, dass die Auseinandersetzung um die Kriegsgeschichte im Hürtgenwald auch weiterhin möglichst feindselig verläuft und man zu diesem Zweck gezielt Öl ins Feuer gießt.

Um es mit den Worten des Herrn Uerlings zu sagen: Es ist dringend an der Zeit, der Geschichte von Julius Erasmus „eine Richtung zu geben“. Allerdings nicht die Richtung einer Legende in nunmehr anderer ideologischer Färbung, sondern endlich die der unvoreingenommen recherchierten und belegbaren Fakten. Welche Rolle hierbei die Dürener Zeitung und die Medienhaus Aachen GmbH spielen möchten, darf man auch weiterhin mit Interesse verfolgen.

 

(Foto: US-Soldatenfriedhof Henri-Chapelle/Belgien, Oktober 2018)

 

Meine Arbeit zu Julius Erasmus können Sie hier unterstützen, vielen Dank!

Archiv