Feldpostbriefe: Der deutsche Soldat Konrad Wilhelm Henckell informiert seine Eltern über den Tod seines Bruders in Russland im Mai 1942 (Veröffentlicht am 25.07.2025)
Dietrich Claus Henckell, geb. am 03.05.1923 in Hamburg, fiel am 16.05.1942 bei Kertsch/Russland. Sein Bruder Konrad Wilhelm, der an den gleichen Kämpfen teilgenommen hat, berichtet seinen Eltern hierüber in einem Brief wie folgt (Quelle: Bähr/Meyer/Orthbandt, Kriegsbriefe gefallener Studenten 1939 – 1945, S. 270 ff.):
„Auf der Halbinsel Kertsch (Krim), 19. Mai 1942
Liebe Eltern!
Gäbe Gott, ich bräuchte nie diesen Brief an Euch beginnen. Aber das Schicksal hat es so gewollt. Ich muss Euch berichten, dass in der Weite des russischen Landes nur noch ein Herz für Euch schlägt: Euer jüngster Sohn starb wie einst sein Onkel den Heldentod für sein Land.
Am 8. Mai traten unsere Truppen an, um in kurzem hartem Ringen die Krim vom Feinde zu säubern. In raschem Stoß wurden die in monatelanger Arbeit errichteten Stellungen des Feindes durchbrochen und Kessel auf Kessel geschlagen. Tausende waren bereits gefangen worden, die Stadt Kertsch selbst fest in unserer Hand. Nur in einem schmalen Hügelgelände am Meer nördlich Kertsch saß der Russe noch in den Stellungen, ja, landete noch frische, gut ausgerüstete Truppen. Dieses letzte Bollwerk sollte von unserer Panzerdivision genommen werden. Am ersten Tage gelang das nicht ganz, da der Russe in dichten Scharen von der letzten Hügelkette stürmte, ohne seiner hohen blutigen Verluste zu achten. Diesem Angriff wurden sofort alle verfügbaren MGs unserer Einheit entgegengeworfen, und ihnen gemeinsam gelang es auch, den Angriff zu stoppen, so dass unsere Infanterie am nächsten Tage mehr als 10.000 Gefangene aus dieser Ecke holen konnte.
Dieter war mit seinem Zug weit vorn am Hang in Stellung gegangen. Wie mir sein Kompanieführer versicherte, war er mit großem Mut hierher vorgedrungen und hatte einen entscheidenden Anteil an der Abwehr des Feindes. Schon im beginnenden Dämmern, als die vordere Linie auf die Höhe zurückgenommen wurde, traf ihn die tödliche Kugel. Beim Einpacken seines Gerätes durchschlug sie ihm den Hals und tötete ihn auf der Stelle. Er hat sich nicht zu quälen brauchen. Am folgenden Abend, als das Infanteriefeuer nicht mehr auf der Höhe lag, habe ich ihn nach langem Suchen selbst mit hereingeholt. Seine Züge waren ruhig. Schmerz hat er nicht mehr verspürt. Er fiel am 16.Mai, keine 500 Meter von meiner Bereitstellung entfernt. Heute besuchte ich mit seinem Kompanieführer sein Grab, das auf einem Heldenfriedhof bei Stary-Krim liegt.
Nun bin ich bruderlos. Doch sein Sterben soll mich nur anspornen zu immer bleibender Pflichterfüllung. Ihr habt die Gewissheit, einen tapferen Soldaten als Sohn gehabt zu haben, der sein Höchstes bereit war für das Vaterland zu geben. Sein Tod ist nicht umsonst! Sein Einsatz hilft mit, die Freiheit unseres Volkes zu erkämpfen. So will ich nicht in Trauer zurückblicken, so tief erschüttert ich auch heute vor seinem Kreuz gestanden habe.
Das Schicksal hat uns allen ein hartes Los auferlegt. Lasst es uns gemeinsam in Würde tragen.“
Konrad Wilhelm Henckell, geb. am 05.03.1922 in Hamburg, starb ebenfalls in Russland, er fiel am 26.09.1943 bei Chordoroff am Dnjeprbogen.
(Titelfoto: Gedenksteine auf dem Soldatenfriedhof Kastel bei Saarburg,
September 2024)
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