Gedanken zum Krieg: Chris Hedges zu den Mechanismen der Kriegs(ver)führung (Veröffentlicht am 25.08.2025)

Der amerikanische Journalist und Autor Christopher Lynn Hedges berichtete ab Anfang der 1980er Jahre und bis Oktober 2000 für verschiedene Pressekanäle aus Krisen- und Kriegsgebieten und veröffentlichte ab 2002 verschiedene zum Nachdenken anregende Monographien, in denen er vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen u.a. seine Sicht auf den Krieg und seine Mechanismen darlegt.

In seinem Buch “The World As It Is: Dispatches on the Myth of Human Progress” aus dem Jahr 2010 äußert er sich wie folgt (S. 226, Übersetzung aus der englischen Sprache):

 

„Krieg ist immer mit Verrat verbunden, mit dem Verrat der Alten an den Jungen, der Zyniker an den Idealisten und der Politiker an den Soldaten. Diese bittere Erkenntnis des Verrats sickert in die Reihen des amerikanischen Militärs ein. Sie bringt uns eine neue Welle wütender und entrechteter Veteranen, die dem Land, das sie in den Krieg geschickt hat, nie wieder vertrauen werden.

Wir formen unsere Helden aus Ton. Wir preisen ihre tapferen Taten. Wir geben ihnen Uniformen mit bunten Bändern für die Gewalttaten, die sie begangen oder erlitten haben. Sie sind unsere falschen Verwahrer von Ruhm und Ehre, von Macht, Selbstgerechtigkeit, Patriotismus und Selbstvergötterung, all das, was wir über uns selbst glauben wollen. Sie sind unsere Gipsheiligen, die Ikonen, die wir bejubeln, damit sie uns verteidigen und uns und unsere Nation groß machen. Sie sind die Stützen unserer wahnsinnigen Staatsreligion, unserer Liebe zu Macht und Gewalt, unseres Glaubens an unser Recht als auserwähltes Volk, diese Gewalt gegen die Schwachen einzusetzen. Das ist die Selbstvergötterung unserer Nation.“

 

Er ergänzt (S. 278, Übersetzung aus der englischen Sprache):

 

„Junge Soldaten (…) planen oder organisieren den Krieg nicht. Sie versuchen nicht, ihn zu rechtfertigen oder seine Ursachen zu erklären. Ihnen wird beigebracht, zu glauben. Die Symbole der Nation und der Religion sind miteinander verwoben. Der Wille Gottes wird zum Willen der Nation. Dieses Vertrauen wird für viele im Krieg für immer zerstört. Soldaten im Kampf sehen, wie der Mythos, mit dem sie in den Krieg geschickt wurden, zusammenbricht. Sie sehen, dass Krieg nicht sauber, ordentlich oder edel ist, sondern korrupt und beängstigend. Sie erkennen das Wesen des Krieges, nämlich den Tod.

Im Krieg werden die Institutionen der Gesellschaft, einschließlich unserer religiösen Institutionen, die uns zu gefügigen Bürgern formen, entlarvt. Dieser Verrat ist so tiefgreifend, dass viele Veteranen nie wieder in ihren Glauben an die Nation oder an einen Gott zurückfinden. Sie hegen eine selbstzerstörerische Wut und Verbitterung, die verständlich und gerechtfertigt, aber auch lähmend ist. Fragen Sie einen Kriegsveteranen, der darum kämpft, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, nach Gott, und beobachten Sie, wie sich unverblümte Verbitterung und Schmerz entladen. Sie haben das korrupte Herz Amerikas gesehen, die Leere seiner heiligsten Institutionen, unsere erschütternde Heuchelei, und diejenigen von uns, die sich weigern, auf ihre Worte zu hören, machen sich mitschuldig an dem Übel, das sie anprangern.“

 

Gelten diese vorrangig im Hinblick auf das US-Militär vorgebrachten Überlegungen nicht gleichermaßen auch für jeden anderen kriegführenden Staat? Entlarvt Chris Hedges nicht grundlegende Mechanismen, mit denen Menschen überall auf der Welt dazu verleitet werden, gegen andere Menschen in den Krieg zu ziehen und sich selbst und andere Tod und Zerstörung auszusetzen? Was sagt es aus, wenn politisch Verantwortliche, wie kürzlich in Deutschland geschehen, Jugendliche über den Gräbern von Kriegsopfern tanzen lassen?

 

 

(Titelfoto: US Militärfriedhof Henri Chapelle/Belgien,
Oktober 2018)

 

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