Gedanken zum Krieg: Der deutsche Soldat Bernhard Rademacher über die Bedeutung von Menschenleben in Russland, Juni 1942 (Veröffentlicht am 14.08.2025)

Er trägt am 12.06.1942 Folgendes in sein Tagebuch ein (Quelle: Dollinger, „Kain, wo ist Dein Bruder? Was der Mensch im Zweiten Weltkrieg erleiden musste – dokumentiert in Tagebüchern und Briefen“ (1983), S. 146):

 

„Auf den Nachschub Straßen liegt der Staub wie eine dicke Mehlschicht. Man kann überall fahren jetzt, die Felder sind wie Tennenböden. Bei Sergejewka und am Kschen überall Feldstellungen, und Kampfspuren. Es stinkt aus allen Getreidefeldern. In Sergejewka sind alle Männer, Frauen und Mädchen dabei, an die dreihundert Rotarmisten zu begraben, die seit über 8 Tagen dort unbeerdigt oder nur leicht mit Erde überdeckt liegen… Bestialischer Gestank und Tausende von Fliegen um die Leichen, die schon halb verwest sind… In Massengräbern werden sie eingebuddelt, die Frauen haben sich Tücher um Mund und Nase gebunden und erbrechen sich trotzdem. Wie schrecklich, wenn unsere Frauen und Mädchen das machen müssten. Tausende, ja Millionen von Rotarmisten werden so irgendwo in der weiten russischen Erde begraben, ohne dass jemals in ihrer Heimat jemand erfährt, wann, wo und wie sie starben. Aber das russische Volk nimmt das als unabwendbares Schicksal hin. »Kaputt«, sagen sie mit einer Handbewegung, und Leben und Fruchtbarkeit gehen weiter. Was ist schon so eine kleine, zusammengeschrumpfte Leiche mitten in der unendlich weiten und blumigen Steppe. Sie ist bald vergessen, verschwunden, überwuchert von der elementaren Fruchtbarkeit des Landes und des Volkes. Was ist der Mensch? Ob ein armer, unbekannter Russe oder ein deutscher Soldat mit Eigenleben und Gestaltungskraft – nach acht Tagen sehen die Leichen alle gleich aus…“

 

 

(Titelfoto: Russischer Ehrenfriedhof Am Gallberg
in Düsseldorf-Ludenberg, Februar 2025)

 

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