Episoden des Krieges: Bericht des damals 17-jährigen deutschen Soldaten Luitpold Reus über die Kämpfe in der Schneifel im September 1944 (Veröffentlicht am 21.11.2025)
Einer der anschaulichsten Berichte der Kämpfe im Hürtgenwald stammt von dem US-Soldaten George Wilson, der u.a. dort als Angehöriger des 22. Infanterieregiments der 4. US-Infanteriedivision gekämpft und seine Erlebnisse in dem Buch „If you survive“ niedergeschrieben hat. Vor seinem Einsatz im Hürtgenwald nahm George Wilson im September 1944 an den schweren Kämpfen um den Schneifel-Höhenzug in der Südeifel und die dortigen Westwall-Bunker teil, die er in seinem Buch auf Seite 85 ff. beschreibt.
Für diese Kämpfe liegt auch ein ausführlicher Bericht des damals 17-jährigen Luitpold Reus aus Darmstadt vor, der als deutscher Soldat mit der sog. „Kampfgruppe Kühne“ nordöstlich von Sellerich in den Kampf geworfen wurde und den Vorstoß der amerikanischen Truppen aufhalten sollte.
Es handelt sich um einen der – jedenfalls nach bisheriger hiesiger Erfahrung – eher seltenen Fälle, in denen Kämpfe durch Teilnehmer beider Seiten ausführlich beschrieben werden. Das für den 15.09.1944 September von Luitpold Reus beschriebene Gefecht aus Richtung Hontheim-Sellerich scheint George Wilson vom Rand des Schneifelwaldes nordwestlich von Hontheim aus beobachtet zu haben.
Der Bericht von Luitpold Reus, umfassend den Zeitraum vom 12. bis 16.09.1944, ist abgedruckt in dem 1989 erschienenen Buch „So kam der Krieg“ von Klaus Ritter, S. 108 ff.:
„Am 11. September 1944 wurden wir jungen Soldaten des Jahrganges 1926, Oberschüler und zumeist Reserveoffiziersbewerber, vorwiegend aus Darmstadt, Mannheim, vom Neckar, der Mosel und der Ahr, nach siebenwöchiger Ausbildung in Wittlich/Eifel in Alarm gesetzt mit dem Auftrag, den Einfall britischer Fallschirmtruppen an der Reichsgrenze zu Belgien zu bereinigen.
Unzulänglich ausgerüstet, warteten wir bis gegen Mitternacht auf den Abmarschbefehl. Wir Darmstädter kannten uns wenigstens vom Sehen auf dem Schulhof, vom Dienst als Luftwaffenhelfer bei der 8,8 cm Flak und vom Arbeitsdienst in der Steiermark. Dies war während der 7. Klasse.
In der Nacht vom 11. auf den 12. September hörten wir noch, dass unsere Heimatstadt von britischen Bombern angegriffen wurde. Die Sorge um unsere Mütter in den Herzen zogen wir der Front entgegen.
Von Mitternacht bis zum Vormittag des 12. September marschierten und schleppten wir uns über Himmerod und Kyllburg, dann über einen durchgehenden Höhenweg nach Prüm. Ich hatte schon vorher eine talergroße, offene Blase am Fuß; ich spürte sie dann nicht mehr. In der Abtei ruhten wir uns aus und waren uns bis zum Abend selbst überlassen. In Prüm, das offenbar geräumt wurde, erstand ich einige Brötchen und eine Flasche Himbeersirup im Kaisers Kaffeegeschäft. Die Flasche flog bei Sellerich beim ersten Artilleriebeschuss in den Straßengraben.
Vor der Abtei angetreten, wurde der Verband, dem ich angehörte, die 2. Kp., auf Lkws, Kettenfahrzeuge und in einen Bus verladen. Die Fahrzeuge gehörten der Waffen-SS. Ich saß mit anderen im Bus. Dieser fuhr nur bis in die Straßenkurven bei Niedermehlen. Wegen eines möglichen Beschusses traute sich der Fahrer nicht weiter.
Auf der Straße gingen wir bis Sellericherhöhe vor. Bewohner sagten uns, die Feinde seien oben im Wald. Feindliches Artilleriefeuer setzte ein. Wir verließen die dortigen Straßenwindungen und gelangten auf ziemlich geradem Weg, an einer Sandgrube zur Rechten vorüber, zum Wald. Irgendein einsames Gebäude lag da, ein Schuppen vielleicht, jedenfalls schlecht zu erkennen. Dort schien auch der Kommandeur der Kampfgruppe, Hauptmann Kühne, zu sein.
Unsere Kp., was man davon im Waldesdunkel sehen konnte, erhielt den Auftrag, den Eifelwald in großem Bogen nach links zu durchkämmen. Kaum den Kameraden sehend, gingen wir bis zum Morgen des 13. Sept. ohne Feindberührung vor. An einem Rinnsal, nicht weit vom Schneifelhaus, trafen wir auf einen Bauern mit seiner Kuh. Er warnte uns, die Amerikaner seien da vorne. Leise wurde zum Vorgehen eingeteilt. Maschinengewehrfeuer vom Schneifelhaus her zerriss die Stille und brach die Zweige über unseren Köpfen. Zwei oder drei Männer von der Waffen-SS tauchten auf und führten einen Teil von uns in eine obere Angriffsposition. Fahnenjunker-Leutnant Westerweller führte selbst den ersten Angriff vom Rücken des Schneifelhauses her. Die Reservegruppe, der ich angehörte, hielt sich unter Unteroffizier Schumacher in einem grabenartigen Hohlweg auf.
Mit Hurrarufen stürmten die Soldaten los, Handgranaten detonierten, Gewehrschüsse, dann feindliches MG-Feuer. Langsam tuckerten unsere zwei veralteten MG 08/15. Als wir mit Unteroffizier Schumacher nachrückten, kamen die MG-Leute den Wald herunter. Bei dem einen MG war der Kühlmantel zerschossen, und das andere tat es auch nicht mehr. Leutnant Westerweller hatte einen Kopfschuss bekommen. Das Knie zerschossen, wurde einer herbeigetragen. Bei einem anderen war die Hand nur noch ein blutiger Klumpen. Offenbar hatten die Amerikaner mit Sprengmunition geschossen. Wo sie glaubten, dass wir seien, hielten sie mit ihren MGs hin, oder sie warfen Eierhandgranaten. Ein schmales, noch heißes, Splitterstück schlug vor mir in den Boden. Als es erkaltet war, steckte ich es in meine Brusttasche. Noch heute erinnert es mich an diesen Tag. Die Verluste waren groß. Unteroffizier Schumacher brach den Angriff ab. Das Herannahen von Panzern war zu hören.
Einige Zeit später nach dem Hergang befragt, berichteten Kameraden, Leutnant Westerweller habe als erster einen Zaun überwunden. Er habe die in einem Graben vor einem Haus befindlichen Soldaten zur Ergebung aufgefordert. Sie hätten die Hände erhoben, hätten jedoch darin verborgen Eierhandgranaten gehabt, die sie nun, als sie aus der Deckung traten, den Kameraden entgegenschleuderten. Sofort warfen sie sich in den Graben zurück. Aus dem oberen Stockwerk des Gebäudes mähte ein MG die Angreifer nieder.
Wir sammelten uns. Die Feinde lauschten. Da wir unseren Einsatzleiter verloren hatten, irrten wir im dichten und stark hügeligen Wald östlich des Kammweges umher, von Artillerie- und Granatwerferfeuer verfolgt. Wegen eines Beobachtungsflugzeuges, das dicht über den Wipfeln kreiste, schmiegten wir uns an dicke Bäume. Ein Wunder, dass niemand getroffen wurde, denn es war gezieltes Feuer, was auf uns lag. Die Wandstärke der Splitter betrug etwa 1,5 cm.
Im Laufe desselben und des nächsten Tages gruben wir uns bald hier, bald dort kurzfristig in flache Mulden ein. Wir hatten nur einige Spaten und Seitengewehre, um Schützenlöcher auszuheben. Mein Seitengewehr hatte ich im Waldesdunkel verloren. Sichtverbindung bestand meist nur zu wenigen Kameraden.
Zweimal sah ich am Ende von hochführenden Waldwegen einen Westwallbunker. Sie waren offenbar unbesetzt. Wir waren selbst wohl zu wenig, um sie besetzen zu können, sicher war auch kein Auftrag da.
Die Nacht zum 14. September war ruhig. Wir lagen jetzt nach mehrmaligem Stellungswechsel, wobei ich einmal alleine am Kammweg lag, von den nächsten Kameraden rund 50 Meter entfernt. Vielleicht dort, wo heute der Sender steht, machte ich mir meine Gedanken, die um ein Überleben kreisten. Heidekraut und Gras wuchsen um mich herum. Ich pflückte ein Sträußchen in meiner Reichweite und steckte es an das Kopfende meiner Mulde. Würde sie mehr werden als meine Mulde?
Ein mir unbekannter Unteroffizier wies mir eine günstigere Position an. Ich lag jetzt in einem Stangenholzwald. Es war schwer hinter den kaum armstarken Stämmen Schutz zu finden. Schaute ich aus dem Wald über die Heidewiese und über die Kammschneise, wo ich glaubte, dass die anderen seien, so blickte ich in dunkle hochaufragende Fichten. Meistens kam der Kampflärm von dort. Östlich lagen wir in Doppelposten weit auseinandergezogen, rechts in 30 Meter Entfernung die Schulkameraden Bauer und Werner Grein aus Darmstadt. Ich lag mit Kindhäuser aus Gernsbach/Rhein zusammen, links an einem schräg nach oben ziehenden Weg, die Kameraden Buder und Bartels vom Neckar mit einem MG 34. Jenseits des Weges lag dichter zusammen eine Gruppe älterer uns unbekannter Soldaten, die aber wohl auch zu uns gehörten. Ich erkannte Funker- und Luftwaffenspiegel an ihren Uniformen. Sie waren uns fremd und nahmen auch keinen Kontakt mit uns auf. Wir lagen die meiste Zeit auf dem Bauch.
Während der Nacht herrschte bei Spähtrupptätigkeit Schießverbot. Ein gegnerischer Dreimannspähtrupp bewegte sich auf unsere, hinter zwei armdicken Buchen angelegte, Doppelmulde zu. Mein Kamerad schlief, und eigentlich wäre meine Zweistundenwache zu Ende gewesen. Ich konnte die Amerikaner schon lange in der Stille der Nacht hören, obwohl sie sich leise bewegten. Sie behielten die Richtung bei und kamen auf uns zu. Es waren grässliche Minuten des Näherkommens, aber noch grässlichere des Stillhaltens. Kindhäuser schnarchte in Abständen mehr oder weniger. Es war aber keine Zeit mehr und zu gefährlich, ihn noch zu wecken. Daher drückte ich immer meinen Körper etwas gegen ihn, um das Geräusch zu dämpfen. Ich machte mich ganz klein und war bis zum äußersten angespannt. Der erste ging knapp an mir vorbei, da er den zwei Bäumen aus weichen musste. Der zweite folgte dicht, trat auf das Geäst am Muldenrand und zog schnell sein Bein zurück. Gottlob ging der dritte einige Meter weiter vorbei. Ich wagte wieder durchzuatmen. Sie entfernten sich. Kindhäuser schlummerte noch immer.
Spähtrupps, die wir am Tage sahen, wurden auch nicht beschossen. Noch am Tag vorher hatte ich einen gesehen. Die Soldaten schienen bis an die Zähne bewaffnet zu sein. Ein Schräggurt lief über ihre Schulter. Wir meinten, sie würden flache Helme tragen und glaubten daher, dass wir gegen Briten oder Kanadier eingesetzt seien. Vielleicht waren es die Tarnnetze, die den Helm flacher erscheinen ließen. Gleich, ob Briten oder Amerikaner, wir waren froh, wenn sie nicht kamen.
Am 14. September verstärkten unsere Gegner ihre Truppen. Panzergeräusche waren von fernher zu hören. Im Bereich des oberhalb gelegenen Zuges entbrannte ein heftiger Kampf. Wer auf unsere Seite kam, wurde von hier beschossen. Den Angriffen gingen heftiges Granatwerferfeuer und MG-Beschuss voraus. Tiefflieger griffen auch an. Die Wipfel der jungen Bäume wurden zerfetzt, und die Äste fielen wie Regen zu Boden.
Sie mussten sich sehr verstärkt haben, denn griffen sie nicht an, so war lautes Geklapper von Spaten und Kochgeschirren zu hören. Gelegentlich drang Musik zu uns, und sie forderten uns dann auf, überzulaufen. Sie fühlten sich offenbar sehr sicher.
Ich meine, es war am 14. September gegen Mittag, als nach heftigem Granatwerferbeschuss etwas oberhalb von uns und nach dem folgenden Kampflärm völlig unvermutet drei Amerikaner aus dem Unterholz in meiner Schussrichtung auftauchten und die beiden Holzstöße, die vor mir lagen, querten. Überrascht von dieser Nähe Riss ich das Gewehr auf die Lücke zwischen den beiden Holzstapeln hin, die der erste bereits passierte. Ich hatte den zweiten noch nicht richtig im Visier, als der dritte kam, riss ich den Abzug durch. Es musste ihn sehr getroffen haben, denn er schrie lange und laut auf und fiel nach vorne. Seine Füße schwanden aus der Lücke, als ihn seine Kameraden in Deckung zogen und sich, für mich nicht mehr sichtbar, entfernten.
Werner Grein rief fragend nach mir, es hatte jeder sein eigenes Sicht- und Schussfeld. Ich hoffe, dass der unbekannte Soldat meine Abwehr überlebt hat. Ich dachte damals an meinen im August in Russland getöteten Bruder, und ich war angstvoll entschlossen mich zu verteidigen, wie es uns auch im übrigen anerzogen worden war. Wir wagten auch nicht nachzusehen.
Ich kann mich nicht erinnern, dass sich jemand einmal in die Büsche schlug. Wir hatten ja auch schon lange nichts mehr gegessen. Erst am 15. gab es für zwei Mann eine Dose Büchsenwurst. Die sieben Säcke mit Brot für die Einheit lagen noch einen Tag später auf der Straße bei Obermehlen, wo das Gespann von einem Artillerieüberfall überrascht worden war.
Wenn es keine Kampftätigkeit gab, war es hier oben still und friedlich, und so etwas wie ein bescheidenes Noch-Jungen- und Naturglück durchströmte einen.
Am Nachmittag blieben die Feinde aus. Es setzte starker Regen ein, der auch die Nacht über anhielt. Die in der Not geöffnete Gasplane zerriss zu Fetzen. Völlig durchnässt verbrachten wir die Nacht.
Am Vormittag des 15. September hörten wir, wie fast immer auf dem Bauche liegend, links vor uns, aber vom Tale her etwa aus Richtung Hontheim-Sellerich, für eine halbe Stunde heftiges Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Unsere trügerische Ruhe genießend kommentierten wir in unserer einfachen Sprache: »Da ist was los!« Es schien eine größere Sache zu sein. Wir wunderten uns nicht, dass es da unten war, denn zwischen Schneifelhaus und Schwarzem Mann gab es keine Verteidiger mehr, denn die letzten lagen hier auf dem Bauch. Seit meiner Zurücknahme vom Rand des Kammweges war auch kein Dienstgrad mehr vorübergekommen.
Mit stärkstem Granatwerferfeuer, etwa eine Viertelstunde lang und bedrohlich gut gezielt und heftigem MG-Beschuss in den Bäumen, begann am Nachmittag des gleichen Tages ein Angriff der Amerikaner auf breiter Front. Gerade atmete ich auf, als sich nach dem Feuerüberfall Stille zeigte. Da sahen wir überall fremde Gestalten durch den Wald auf uns zukommen. Mit grotesken Sprüngen hinter den dünnen Stämmen Schutz suchend, gehen sie vor. Unser MG-34 rattert. Schüsse fallen. Sie halten an, haben Angst vor dem Ernstfall wie wir. Es sind viele, fast hinter jedem Baum einer. Ein Offizier mit heller, schneidender Stimme befiehlt sie vorwärts, die Pistole zu seinem Schutz in der halberhobenen Rechten. Drei Mann vor ihm. Vielleicht noch dreißig Meter. Das MG links von mir hat Ladehemmung. Sie rufen nach uns um Feuerschutz. Sie wechseln den heißen Lauf. Heiß wird auch das Hirn! Einer der Soldaten wendet sich kurz zu seinem Offizier, fragt etwas. Ich glaube kurz etwas Weißes in Brusthöhe bei dem Soldaten links von uns gesehen zu haben und einen scheuen bedeutsamen Blick zu uns herüber, eine Kopfwendung wohl, uns und den Angreifern geltend. Entsetzt sehen wir, wie sich die Gruppe älterer Soldaten erhebt, die Gewehre fallen zu Boden. Die Arme erhoben, stolpern sie den nahegekommenen Angreifern entgegen. Unsere linke Flanke wird frei. Hoffentlich sind sie mit dem MG bald fertig.
Überrascht und auch erleichtert, dass sie erst einmal nicht weiter vor müssen, wenden sich unsere Gegner den kampfesmüden Soldaten zu, lassen uns außer Acht und treiben ihre Gefangenen, zehn oder zwölf an der Zahl, weg und bringen sich selbst außer Gefahr.
Zögernd setzt unser MG wieder ein, um die eigenen Überläufer nicht zu gefährden. Im dichten Wald bietet sich bald kein Schussfeld mehr, überall, rechts vorne und rechts hinten schon Geschrei, Getümmel, Schüsse und Detonationen. Jetzt nur noch vereinzelt, dann Stille. Sie werden wiederkommen! Sie sammeln sich. Neben mir noch das MG, 20-30 Meter rechts zurück die beiden Schulkameraden. Wie sieht es drüben aus? Ein Melder kommt von unten mit dem Befehl zum sofortigen Absetzen. Der Gegner sei an allen Abschnitten durchgestoßen. Die anderen seien schon von oben weg. Wir geben uns wechselseitig Feuerschutz und ziehen uns zurück.
Einige Kameraden von jenseits der Kammschneise stoßen zu uns, unter ihnen Heinz Carius aus Darmstadt. Gute fünfzehn Mann mögen wir jetzt sein, ein Unteroffizier und ein Gefreiter sind auch darunter. Waffenunteroffizier Bell war kurz vorher auf eine Mine nahe der Heidewiese getreten. Die Darmstädter hatten nur noch sein Passbild gefunden. Seltsam!
Lärm auf dem Kamm, sie kommen wieder. Wir hören sie bereits an unseren aufgegebenen Stellungen. Jetzt werden sie unsere halbe Wurstbüchse finden und die Patronenhülsen daneben. Dann finden sie ihren toten Kameraden, den wir weit hinter uns fanden, die Jacke aufgeschlagen, weißes Lammfell.
Wir weichen steil nach unten über eine nasse Waldwiese aus, über zwei Rinnsale, über die ein Brett gelegt ist. Dämmerung, Abend und Nacht kommen rasch. Es wird still im Eifelwald.
Wir halten schräg nach unten, immer auf der Hut. Auch der Melder findet sich nicht mehr zurecht. Sollen wir jetzt nach links oder nach rechts? Wer weiß, ob die im Befehlsstand noch da sind.
Wir treffen auf eine lange Schneise am Hang und folgen ihr. Irgendwo nebeneinander ein paar tote Kühe. Eine engere, gewundene Schneise. Dann ein Holztor, Pfosten. Die ersten gehen hindurch. Detonation! »Minen!« schreit ein anderer. Wieder eine Explosion. Er springt zur Seite, auf eine Mine. Detonation! Ich klammere mich an den Seitenpfosten. Walderde und Steine kommen wie Regen von oben. Von den unglücklichen Kameraden nichts, auch vor dem Tor nichts. Wir wagen es kaum, uns von der Stelle zu bewegen. Der Gefreite stochert mit dem Seitengewehr einen Pfad zurück. Wir verlassen die Schneise nach unten. Es hat keinen Zweck, in der Dunkelheit weiterzugehen. Unter einem mächtigen Baum erwarten wir den Morgen. In einem Taleinschnitt scheint Wasser zu sein.
In der hochsteigenden Morgensonne des 16. September verlassen wir den Wald, hoch über dem Dorf Gondenbrett. Wascheid ist zu sehen. Wir ziehen am Waldrand entlang, rechts der Wald, links das offene Wiesengelände. Ein deutscher Wachsoldat ruft uns vor den Häusern von Gondenbrett an. Deutsche Soldaten! Sie hatten die Detonationen der Nacht gehört, meinten, es kämen die anderen. Es waren deutsche Minen gewesen.
Wir wandten uns Obermehlen zu, wo wir den Befehlsstand am Wald vermuteten. Auf dem höchstgelegenen Hof trafen wir auf SS-Flak. In den Vormittagsstunden wuschen und trockneten wir uns und versuchten unseren Hunger an den wenig verbliebenen Zwetschgen zu stillen. Die SS- Leute schimpften: »Die sehen Euch doch von oben, vom Wald.« Sie schienen nicht unrecht zu haben. Mit dem MG 34 sicherten wir gegen die Feindseite.
Gegen Mittag entstand Verbindung zum leitenden Offizier der Kampfgruppe, Hauptmann Kühne. Gegen zwei Uhr schickten wir uns an, den Hof zu verlassen, um dem in den Wald führenden Feldweg zu folgen. Ein heftiger Schlag gegen das rechte Bein drehte mich um mich selbst. Ich presste die Oberschenkel zusammen, und Blut füllte das Hosenbein. Ich wankte gegen das Haus zurück. Ich sah, wie ein anderer rückwärts torkelte, ein dritter lag still auf der Erde. Die erste Granate des nun folgenden vorbereitenden Feuerüberfalls hatte drei zugleich verletzt, den einen von der Mosel sehr schwer am Kopf, den von Mannheim am linken Oberschenkel, mich aus Darmstadt am rechten Oberschenkel. In der Kammer neben der Küche wurde ich verbunden. Bauer aus Darmstadt brachte mir Wasser. Er meinte: »Du hast es jetzt hinter Dir.«
Beim Nachlassen des Feuers trugen Heinz Carius und Volkmar Strack, ein Bruder des Schauspielers Günter Strack, mich ins Dorf zum Verbandsplatz. Das Artilleriefeuer verstärkte sich wieder, als beide zurückgingen. Ein angreifendes Feindflugzeug stürzte abgeschossen in das Dorf.
Später erfuhr ich, dass auch Werner Grein von unserer Granate verletzt worden war. Sie mussten noch einmal vorgehen. Carius und Strack wurden beim Bergen von Verwundeten schwer verletzt, Strack tödlich. Die übrig geblieben waren, schickte man noch in den Hürtgenwald. Der Endkampf des Reiches verschlug drei von uns »Schneiflern« an die Ostfront.
Fritz Kaltbeitzel aus Heimersheim/Ahrweiler, dem ich die Kenntnis der Örtlichkeiten in der Schneifel verdanke, holte in Pflichterfüllung das ihm anvertraute, aber liegengebliebene Maschinengewehr. Er blieb bei seinem Gewehr.“
(Titelfoto: Der sog. „Bunkerweg“ entlang des Westwalls
im damaligen Kampfgebiet des Schneifelhöhenweges, Mai 2024)
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