Feldpostbriefe: Die angeblichen „Hunde“ und „Barbaren“ auf der Gegenseite – Briefe der Mutter eines deutschen Soldaten an die Ostfront im Sommer 1941 (Veröffentlicht am 23.09.2025)

Es scheint dieser Tage einmal mehr angebracht, nachdrücklich daran zu erinnern, welche katastrophalen Folgen politische Verblendung, die hasserfüllte Entmenschlichung vermeintlicher Feinde und deutscher Größenwahn in der Vergangenheit bereits hatten.

Anschaulicher Ausdruck sind die folgenden drei Briefe, welche die Mutter eines deutschen Soldaten nach Beginn des Feldzuges gegen Russland am 22.06.1941 an ihren an der Ostfront kämpfenden Sohn schrieb (Quelle: Golovchansky/Osipov/Prokopenko/Daniel/Reulecke, „Ich will raus aus diesem Wahnsinn – Deutsche Briefe von der Ostfront 1941-1945“ (1991), S. 18 f., 26 f. und 29):

 

„Brand, den 28.6.41.

Mein lieber Junge!

Für Deinen lieben Brief vom 20. meinen herzlichsten Dank. Ja, mein Junge, inzwischen weiß ich, wo ich mit tiefster Sorge Dich und den Jos. suche. Das ist der Bolschewismus, wie wir ihn hassten, hinterlistig und verlogen, brutal und herzlos. Ich zweifle keinen Augenblick an einem Sieg über diese Hunde, die man nicht Menschen nennen kann. Das haben die wenigen Operationstage schon bewiesen, dass unsere tapferen Soldaten einer vertierten Unnatur in diesem Volk gegenüberstehen. Heute wurde die Postsperre aufgehoben und nun eilen meine Grüße und Wünsche zu Dir. Morgen werden wir durch Sondermeldung erfahren, wie und wo die Barbaren schon geschlagen sind. Lieber Junge! Du weißt, dass ich nun um Dich und Jos. in großer Sorge bin. Wenn eben möglich, gib mir doch immer ein Lebenszeichen; eine kurze Karte genügt. Rudi ist seit Montag für 3 Wochen als Erntehilfe bei einem Bürgermeister und zugleich Großbauern eingesetzt. Vorhin hatte er 8 Tage Sonderurlaub, die er in den Tiroler Bergen verbrachte. Ist doch einer von meinen Jungens, der es gut hat.

Für Dich aber mein Junge, kann ich nur alle Tage beten, dass Gott Dich auch aus diesem unglückseligen Lande, wo Dein armer Vater 3 Jahre kämpfte, glücklich und wohlbehalten zu uns zurück führt.

Nun lebe wohl und sei in sorgender Liebe herzlich gegrüßt von Deiner
Mutter.“

 

 

„Brand, den 8.8.41.

Mein lieber Junge!

Mit großer Freude erhielt ich Deinen lieben Brief vom 21. Du kannst Dir denken, dass man immer mit größter Sehnsucht auf einige Worte aus dem Osten wartet. Es muss ja da ein Ringen sein, wie es noch auf keinem Kriegsschauplatz war. Wenn man die Frontberichte verfolgt und die Wochenschau besichtigt, weiß man nicht, wie da noch ein Mensch lebend hinaus kommt. Das entsetzliche Gelände da ist ja so furchtbar, dass man nicht weiß, wie die armen Soldaten da voran kommen. Hoffen wir lieber Junge, dass es bald zu Ende ist mit diesem mörderischen Ringen. Wenn man die Leutezahl hört, möchte man fast glauben, die Roten hätten überhaupt nichts mehr. Warst Du mit bei der Schlacht von Smolensk? Jos. schrieb auch vor einigen Tagen. Er hofft noch mit nach England zu kommen. Das war immer sein Schwarm. Rudi und Peter haben nun auch die schönen Tage wieder hinter sich. Rudi fand es nicht mehr schön in der Heimat, weil wir jede Nacht im Bunker Zuflucht suchen mussten. Es ist dies am Opfer unserer Helden gemessen nur ein Schimmer. Es ist allerdings der Heimatkrieg gegen Frauen und Kinder etwas Abscheuliches. Wenn es mal im Osten fertig ist, wird auch der Tommy nicht mehr dazu kommen unsere Heimat zu bombardieren. Nun mein lieber Junge: Lebe wohl! Alle lassen Dich herzlich grüßen. Ich bete täglich um deine Wiederkehr.

Es grüßt und küsst Dich in sorgender Liebe
Deine Mutter.“

 

 

„Brand, den 29.8.41.

Mein lieber Junge!

Ein Monat ist nun wieder seit Deinem letzten Brief dahin gegangen. Es sind Wochen eines stummen Sichfügens in die Härten dieses grausamen Krieges. Hoffentlich erreichen Dich diese Zeilen gesund und wohlbehalten. Nach allem, was Du erlebst, brauche ich wohl nicht zu fragen. Die Frontberichte geben davon ein anschauliches Bild. Ist denn der Russe noch immer nicht erledigt? Wer hätte gedacht, dass die sich mal so verzweifelt wehren würden. Lieber Junge! Ich lege Dir einige Briefbogen bei. Vielleicht hast Du nicht einmal ein Stück Papier, um uns ein Lebenszeichen zukommen zu lassen.

Gestern erhielt ich Post von Jos. Es geht ihm gut. Er schrieb: Ich hatte sehnlichst gewünscht Moskau mit zu stürmen und wäre nun doch froh, wenn ich aus dieser Hölle heraus wäre. Jakob T. ist schwer verwundet und nach Deutschland transportiert. Nun ist auch Peter von der franz. schweizer Grenze ausgerückt, wohin, weiß ich nicht. Sein Herzenswunsch ist in Erfüllung gegangen. Er schrieb: Nun erst fühle ich mich als ein richtiger Soldat. Von Rudi habe ich noch immer nichts gehört und habe auch keine Anschrift von ihm. Nun lebe wohl! lieber Stefan. Wir alle senden Dir herzliche Grüße verbunden mit den innigsten Wünschen, dass Gott Dich schützen möge.

In Liebe Deine Mutter“

 

Möge man sich insbesondere in Deutschland daran erinnern, wohin das hasserfüllte Schwadronieren über „Hunde, die man nicht Menschen nennen kann“ und über die „vertierte Unnatur“ angeblicher „Barbaren“ schon einmal geführt hat und diesmal „Nein!“ sagen.

 

 

(Titelfoto: Deutscher Soldatenfriedhof Ysselsteyn/Niederlande,
Mai 2023)

 

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