„Moderne Gedenkkultur“ im Kreis Düren: „Blumenverbot“, „Tanztheater“ und die Genfer Konventionen (Veröffentlicht am 22.05.2025)
Die unter dem Titel der (angeblich) „modernen Gedenkkultur“ veranlassten merkwürdigen Maßnahmen des Kreises Düren unter seinem – derzeit wegen Korruptionsvorwürfen suspendierten – Landrats Wolfgang Spelthahn (CDU) waren wiederholt Gegenstand dieses Blogs.
I. Der Umgang mit Kriegsopfergräbern im Kreis Düren: Vom „Blumenverbot“ zum „Tanztheater“
Neben den verschiedenen, spezifisch das Gedenken an Julius Erasmus betreffenden Vorgängen ist hier vor allem das sog. „Blumenverbot“, also das Verbot der Ablegung von „Zeichen der Trauerbekundung“, insbesondere von Blumen und Kerzen, auf den Soldatenfriedhöfen in Hürtgen und Vossenack durch § 4 Ziffer 4. a) der Friedhofsordnung vom 13.09.2022, zu nennen, das neben dem VG Aachen auch das OVG NRW sowie der Landesverfassungsgerichtshof NRW für rechtmäßig halten. Daneben aber auch das vom Kreis Düren und dem Kreisverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. zum Volkstrauertag 2023 auf dem Soldatenfriedhof in Vossenack veranstaltete sog. „Tanztheater“, in dessen Rahmen man Schülerinnen und Schüler aus dem benachbarten Franziskus-Gymnasium in der Dunkelheit auf direkt über den Gräbern installierten Bühnen zu unter bunter Beleuchtung der Anlage zu lauter Musik tanzen und zahlreiche Zuschauer quer über die Gräber trampeln ließ.
II. Die Genfer Konventionen und der Schutz der Gräber von Kriegsopfern
Was man dabei offenbar nicht bedacht hat, sind die sog. Genfer Konventionen vom 12.08.1949 nebst ihrer Zusatzprotokolle. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese zwischenstaatlichen Übereinkommen dazu dienen, selbst im Krieg die Achtung bestimmter grundlegender Standards der Menschlichkeit und der Menschenwürde festzuschreiben, die vor allem den Schutz von Personen betreffen, die nicht oder nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen. Die Genfer Konventionen und die darin enthaltenen Vorgaben sind ein grundlegender Bestandteil des sog. „humanitären Völkerrechts“, das für den Fall bewaffneter Auseinandersetzungen einen bestmöglichen Schutz von Menschen, Gebäuden und Infrastruktur sowie der natürlichen Umwelt vor den Auswirkungen der Kampfhandlungen beabsichtigt.
Teil der Genfer Konventionen ist auch der Umgang mit Gräbern von Kriegsopfern.
So regelt das „Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I)“ vom 08.06.1977 auch den Umgang mit den sterblichen Überresten im Krieg getöteter Menschen. Art. 34 Abs. 1 dieses Protokolls lautet (Übersetzung aus der englischen Sprache; Hervorhebung diesseits):
„Sterbliche Überreste von Personen, die im Zusammenhang mit einer Besetzung oder während eines durch Besetzung oder Feindseligkeiten verursachten Freiheitsentzugs verstorben sind, und von Personen, die keine Angehörigen des Staates waren, in dem sie infolge von Feindseligkeiten verstorben sind, werden geachtet; auch die Grabstätten aller dieser Personen werden nach Artikel 130 des IV. Abkommens geachtet, instand gehalten und gekennzeichnet, soweit die Überreste oder Grabstätten nicht auf Grund der Abkommen und dieses Protokolls eine günstigere Behandlung erfahren würden.“
Die Vorschrift wird als internationale Rechtsgrundlage für die Anlage, den Erhalt und den Umgang mit Soldatenfriedhöfen und den Gräbern von Kriegsopfern verstanden.
Die BR Deutschland hat die Genfer Konventionen im Jahr 1954 ratifiziert, das Protokoll I im Jahr 1991; es handelt sich um geltendes Recht. Dabei ist zu beachten, dass Art. 25 GG „die allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ in das Bundesrecht integriert und ihnen den Vorrang vor nationalen Gesetzen einräumt.
III. „Blumenverbot“ und „Tanztheater“ als Verstoß gegen die Genfer Konventionen?
Neben grundlegenden ethisch-moralischen Überlegungen, insbesondere solchen nach der Gewährleistung der Menschenwürde nach dem Tod, legt dieser Hintergrund auch die Frage nahe, ob staatliche Maßnahmen wie das „Blumenverbot“ oder das „Tanztheater“ des Kreises Düren wirklich ein achtsamer Umgang mit den Gräbern von Kriegsopfern ist, wie ihn die Genfer Konventionen als in der BR Deutschland geltendes Recht vorschreibt. Vermutlich ist man sich beim Kreis Düren dieser Thematik nicht bewusst, sie wird zu klären sein.
(Titelfoto: Grab dreier unbekannter Soldaten
auf dem Soldatenfriedhof Hürtgen, August 2022)
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